Aus der Geschichte der Stadt Pritzwalk

Schon von weitem grüßt der hohe Turm der Pritzwalker Nikolaikirche den Besucher - gleich, aus welcher Himmelsrichtung er sich der Stadt nähert. Doch Pritzwalk, geographisch im Zentrum der schönen und ruhigen Landschaft Prignitz gelegen, erschließt sich nicht sofort dem Fremden. Man muss schon ein wenig länger im Städtchen an der Dömnitz verweilen, um das Besondere dieses Ortes zu spüren.

 

Wie in vielen Städten des Landes Brandenburg hat auch hier die Geschichte bleibende Spuren hinterlassen. Nicht wenige Gebäude, aber auch urkundlich belegte Ereignisse sowie Sagen und Legenden, die sich um den Ort ranken, geben Zeugnis von der wechselvollen Geschichte einer Stadt, die im 13. Jahrhundert erstmals urkundlich erwähnt wurde. Was ist aus dieser Zeit und den Jahrhunderten davor noch heute bekannt? Nach der Periode der Völkerwanderung, die zum Abzug der germanischen Stämme führte, wurde die Prignitz von Slawen besiedelt.

Die Kirche Sankt Nikolai ist schon von Weitem gut sichtbar. Foto: Lars Schladitz

Die Wohngebiete der slawischen Bauern glichen "Inseln im Waldmeer". So suchten sich auch im Raum Pritzwalk, vor allem in der Nähe der Dömnitz, slawische Siedler ihre Wohn- und Ackerflächen, die über mehrere Jahrhunderte genutzt wurden. Nach einigen vergeblichen Anläufen gelang es schließlich den Askaniern in der Mitte des 12. Jahrhunderts, die Prignitz zu erobern und endgültig zu christianisieren. Mit den Rittern kamen Bauern und Siedler aus Niedersachsen, Franken, der Altmark und aus den Niederlanden.

 

Die Ortslage der späteren Stadt Pritzwalk war günstig: Es gab alte Handelswege in alle Himmelsrichtungen und auf oder in der Nähe der Dömnitzinsel befand sich eine mittelalterliche Burg, von der heute lediglich noch der Name Burgstraße kündet.

 

In der Mitte der Altstadt zeigt das Modell von etwa 1730 das einstige Rathaus der Stadt. Foto: Beate Vogel

Prisvaic, Prizwalk, terra Prezwalk (u. a.) - es gibt noch zahlreiche andere Schreibweisen - wurde bald ein ständiger Marktort, der 1256 das Stadtrecht urkundlich bestätigt bekam. Belegt ist, dass die Markgrafen Johannes I. und Otto III. die Stadtrechte bestätigten und sich die Stadt Pritzwalk - ursprünglich aus einer slawischen und einer deutschen Siedlung bestehend - zu einem blühenden Ort entwickelte, der auch Einfluss in der Prignitz hatte. Zu Pritzwalks bedeutendsten Gilden zählten die Kaufmannschaft und die Tuchmacher.

 

Handwerk und Handel - Pritzwalk war auch Mitglied der Hanse - und die günstige Lage am Schnittpunkt der Handelsstraßen führten im 14. und 15. Jahrhundert zu beachtlichem Wohlstand. So kaufte die Stadt z. B. 1258 die Kammermark und 1325 das Dorf Streckenthin.

 

Die Pritzwalker konnten sich auch den Ausbau der Nikolaikirche leisten und man errichtete Anfang des 16. Jahrhunderts ein prächtiges Rathaus, das aber wie viele andere Gebäude von einem Großbrand im Jahre 1821 zerstört wurde.

 

Foto: Lars Schladitz

Mitte des 16. Jahrhunderts begann Pritzwalks Niedergang, auch hervorgerufen durch den Zerfall der Hanse und den Verlust wirtschaftlicher Beziehungen. Pestjahre und der Dreißigjährige Krieg ruinierten die Stadt vollends. Pritzwalk brauchte mehr als 100 Jahre, um sich von diesen schweren Zeiten zu erholen und erfuhr vor allem durch die Tuchindustrie im 18. Jahrhundert einen spürbaren Aufschwung. Der Siebenjährige Krieg, die Besatzungszeit Napoleons in Brandenburg/Preußen und der bereits erwähnte verheerende Stadtbrand von 1821 brachen die begonnene wirtschaftliche Aufwärtsentwicklung wiederum ab. Aus dieser Zeit vor 1821 ist daher in Pritzwalk wenig zu sehen: Lediglich das Schiff der Nikolaikirche, die Reste der Stadtmauer mit einem erhalten gebliebenen Wehrturm und der Verlauf alter Straßenzüge - z. B. die Burgstraße, die Schützenstraße und die Rossstraße - lassen den Betrachter das Aussehen der einstigen mittelalterlichen Stadt erahnen.

 

Das spätklassizistische Rathaus (nach 1821), das Salzmagazin (ehemaliges Heimatmuseum) und die Nikolaikirche (Turm erst 1882 fertig gestellt) gehören mit zu den ältesten historischen Bauwerken. Die ringförmig um die Altstadt Pritzwalks angelegten Grünflächen und Baumalleen, die zum Spazieren gehen oder Verweilen einladen, sind ebenfalls Zeugen vergangener Zeiten; es sind die im 19. Jahrhundert zugeschütteten Wälle und Gräben der Pritzwalker Befestigungsanlagen.

 

Die Pritzwalker verdanken vor allem dem Mittelschullehrer Petschelt und dem ehemaligen Museumsleiter Albert Guthke, dass die Stadtgeschichte nicht in Vergessenheit geriet.

 

Auch in Pritzwalks Mauern wurden Männer geboren, die über die Grenzen der Vaterstadt hinaus bekannt wurden: 1544 erblickte Zacharias Garceus, der Autor der ersten groß angelegten Geschichte der Mark Brandenburg, hier das Licht der Welt. Großvater und Urgroßvater des mecklenburgischen Heimatdichters Fritz Reuter sind in Pritzwalk geboren.

 

Auch Heinrich Gätke, Jahrgang 1814, ein Verwandter Theodor Fontanes und Begründer der Vogelwarte Helgoland, nannte Pritzwalk seine Geburtsstadt.

 

Nach 1871 begann eine erneute Phase wirtschaftlichen Aufstiegs für Pritzwalk. Eine leistungsstarke Landwirtschaft und die Errichtung bzw. Modernisierung von Mühlen, Molkerein, Brennereien, Ziegeleien sowie einer Tuchfabrik in bzw. um Pritzwalk führten zu schnell wachsendem Wohlstand der Stadt.

 

Foto: Lars Schladitz

Am wirtschaftlichen Aufschwung war maßgeblich die Tuchfabrik der Familien Draeger und Quandt beteiligt. Aus dieser Zeit der Gründerjahre stammen etliche schöne Häuser in roter Backsteinbauweise (z. B. das ehemalige Gebäude wie das Krankenhaus, das Gericht und die Post, das heutige Gymnasium u. a.). Vom Aufschwung zeugen auch verschiedene Gebäude im Jugendstil (z. B. in der Doerfelstraße).

 

Seit Ende des vorigen Jahrhunderts ist Pritzwalk ein Verkehrsmittelpunkt der Region, auch im Zusammenhang mit den sich hier kreuzenden Eisenbahnstrecken. Wegen dieser Vorteile und auf Grund "preiswerter Lebenshaltung und mäßiger Steuern" wurde Pritzwalk zu Beginn unseres Jahrhunderts gern von Pensionären und Landwirten aufgesucht, die sich hier zur Ruhe setzten.

 

Das noch heute beliebte Hainholz - ein Waldpark nördlich von Pritzwalk - war schon zu dieser Zeit Ausflugsziel der Pritzwalker und ihrer Gäste. Viele ältere Bürger der Stadt kennen natürlich auch die Sage vom Räuber Heine Klemens, der dort im Hainholzwald sein Unwesen getrieben hat und dafür hingerichtet worden sein soll.

 

Besonders im letzten Kriegsjahr 1945 wurde die Stadt arg in Mitleidenschaft gezogen. Obwohl Pritzwalk nicht im Bereich der Hauptkampflinie lag, kam es durch Kriegseinwirkungen im April 1945 zu einer schweren Explosion auf dem Bahnhof der Stadt. Das Unglück kostete vielen Menschen das Leben, zahlreiche Gebäude der Gründerzeit und ganze Straßenzüge in der Nähe des Bahnhofes wurden zerstört.

 

Nach 1950 begann der Wiederaufbau. Pritzwalk wurde 1952 Kreisstadt und in den nachfolgenden Jahren entstanden die neuen Stadtteile an der Hainholzmühle und in Pritzwalk-Nord. Rechts und links der Straße nach Perleberg wurden zahlreiche Eigenheime gebaut.

 

Viele Gebäude Pritzwalks, vor allem im Stadtkern, stehen heute unter Denkmalschutz und machen den Reiz dieser Kleinstadt im Herzen der Prignitz auf besondere Weise aus.

 

Dr. Wolfgang Simon